10 Abmahngründe, die nicht rechtmäßig sind
Auch wenn sich bei vielen Händlern der Eindruck stetig hält, man könne für fast alles abgemahnt werden, gibt es auch Ausnahmen. Wir haben uns auf die Suche begeben und zehn vermeintliche Fehler gefunden, die gerade nicht oder nicht mehr abgemahnt werden können.
1. Streichpreise ohne Erläuterung
Wird für einen Artikel einem aktuellen günstigen Preis ein höherer Streichpreis gegenüber gestellt, so sollte dieser lange Zeit immer genau erläutert werden. Möglich war hier zum Beispiel ein Vergleich mit der UVP des Herstellers. Der Bundesgerichtshof hat hierzu den Druck für Online-Händler etwas entschärft. Eine durchgestrichene Preisangabe ohne nähere Erläuterung sei nicht mehrdeutig oder irreführend, wenn der durchgestrichene Preis der früher vom Händler verlangte Preis ist (Urteil des Bundesgerichtshofes vom 05.11.2015, Az.: I ZR 182/14). Der Verkehr erkenne klar und eindeutig den früher vom Händler verlangten Preis.
Soll der Preisvergleich aber mit einem anderen als dem vom Werbenden zuvor verlangten Preis erfolgen, zum Beispiel einer unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers, so muss dieser aber weiterhin erläutert werden.
2. Selbstverständlichkeiten mit „selbstverständlich“ kennzeichnen
Wer in seinem Shop mit bestimmten Leistungen wirbt, die den Kunden schon gesetzlich garantiert sind, kann damit vielleicht das Vertrauen der Kunden stärken. Von einer Werbung mit „Es gilt die gesetzliche Gewährleistung von zwei Jahren“ ist daher dringend abzuraten, denn auf diese Werbung könnten sich Mitbewerber stürzen. Einen Trick gibt es aber, um einer Abmahnung zu entgehen.
Wird eine bestimmte Aussage mit dem Zusatz „selbstverständlich“ relativiert, ist es keine unzulässige Werbung mit Selbstverständlichkeiten mehr. Die Werbung „Es gilt selbstverständlich die gesetzliche Gewährleistung von zwei Jahren“ ist zulässig.
3. Falsche Textilkennzeichnung
Nach den Vorschriften der europaweit gültigen Textilkennzeichnungsverordnung muss die Faserzusammensetzung (z.B. 100 % Baumwolle) auch im Online-Angebot angegeben werden. Dabei dürfen für die Beschreibung der Fasern ausschließlich bestimmte Textilfaserbezeichnungen (nach Anhang I) verwendet werden. Beispielsweise ist für Baumwolle auch nur „Baumwolle“ anzugeben und nicht „Cotton“ oder „Bio-Baumwolle“.
Wer dagegen verstößt, kann zwar mit einem Bußgeld belangt werden. Ein Verstoß gegen die Angabe der richtigen Faserbezeichnung ist jedoch nicht abmahnfähig. Das gilt bislang für folgende Fälle:
- Merinowolle statt Wolle (Landgericht Bochum, Urteil vom 21.03.2017, Az.: I-16 O 11/17 – noch nicht rechtskräftig)
- Cotton statt Baumwolle (OLG München, Urteil vom 20.10.2016, Az. 6 U 2046/16)
4. Fehlende AGB im Online-Shop
Rechtstexte stehen seit längerer Zeit in der Kritik, den Verbraucher nicht mehr aufzuklären oder zu informieren und nur nach der Devise „je länger, desto besser“ gestaltet zu sein. Dennoch kommt man als Händler nicht um eigene Rechtstexte herum. Oder? Wer selbst viel Geld in die Erstellung und Pflege von AGB steckt, wird sich über nachlässige Konkurrenten ärgern. Doch AGB sind im Online-Handel nicht zwingend verpflichtend. Wer die Pflichtinformationen anderweitig mitteilt und auch sonst keine besonderen Regelungen treffen will, kann für fehlende AGB nicht abgemahnt werden. Diese Lösung ist zwar nicht abmahnbar – aber in der Praxis jedoch kaum praktikabel.
5. Verwendung von Markennamen für Sortiment
(Eingetragene) Marken sind geschützt und die unzulässige Verwendung stellt einen abmahnfähigen Rechtsverstoß dar. Händler dürfen den Markennamen jedoch problemlos nennen, soweit sie Artikel des Markeninhabers zulässigerweise (z.B. keine Plagiate) verkaufen. Warum? Um die Produkte an den Mann oder die Frau bringen zu können, muss man sich des Original-Markennamens bedienen, denn nur so kann der Kunde das gewünschte Produkt bzw. Zubehör-oder Ersatzteil im Internet finden und die Kompatibilität sicherstellen.
Der Markeninhaber hat nicht das Recht, Händlern die Verwendung der Marke zu untersagen, wenn die Nennung für die nähere Beschreibung des Produktes notwendig ist. Anders ist es jedoch bei Logos. Markenlogos sollten nicht ohne Einwilligung verwendet werden, da sie für die reine Bewerbung nicht notwendigerweise mit angegeben werden müssen.
6. Ausnahmen von der Grundpreisangabe
Werden Produkte in verschieden großen Varianten angeboten, ist für den Verbraucher kein Preisvergleich möglich. Aus diesem Grund fordert der Gesetzgeber zusätzlich zur Angabe des Endpreises einen Grundpreis. Fehlt der, ist eine Abmahnung wahrscheinlich, da sich viele Abmahner darauf spezialisiert haben. Ausnahmen bestätigen jedoch die Regel.
Die strengen Gesetzesvorschriften sehen Ausnahmen von der Grundpreisangabe vor, wenn der Grundpreis mit dem Gesamtpreis identisch ist oder die Verkaufseinheit weniger als 10 Gramm oder Milliliter enthält. Alle Ausnahmen im Überblick gibt es auch in der Infografik des Händlerbundes.
7. Kritische Äußerungen über Mitbewerber
Der Verdacht hat sich sicherlich schon bei etlichen Online-Händlern eingeschlichen. Nicht alle unzufriedenen Kunden, die nach einem Kauf eine Negativbewertung hinterlassen, sind „echte“ Kunden. Dahinter muss sich doch ein Mitbewerber verstecken, der jemanden bewusst schaden will, so die Spekulation. Für eine kritische Äußerung braucht sich aber niemand zu rechtfertigen – wenn sie in den Grenzen des rechtlich Zulässigen sind. Online-Händler dürfen ihre Meinung zu einem Konkurrenten oder Konkurrenzprodukt daher frei äußern, ohne rechtliche Angriffe fürchten zu müssen.
8. Unterschreitung/Überschreitung der UVP
Für viele Produkte geben die Hersteller eine unverbindliche Preisempfehlung (UVP), zu der die Händler die Produkte dann verkaufen sollen. Vor allem im Internet kommt es häufig vor, dass die UVP von den Online-Händlern deutlich unterschritten wird. Online-Händler müssen nicht gemäß der UVP des Herstellers verkaufen. Das hatte 2012 der BGH entschieden (Beschluss vom 06.11.2012, AZ.: I ZR 13/12). Wer sich als Händler nicht an die UVP halten will, riskiert zwar die Weiterbelieferung. Eine Abmahnung kann man jedoch nicht erhalten.
9. Gekaufte (positive) Bewertungen
Wie leicht wäre das Leben eines Online-Händlers, wenn man sich nicht mit Negativbewertungen „herumschlagen“ müsste. Dass unwahre, negative Bewertungen immer mehr Gewicht haben und deshalb immer häufiger dagegen vorgegangen wird, beweist die stetig wachsende Zahl an Rechtsprechungen. Warum also noch auf legalem Wege positive Bewertungen sammeln und Kunden hierzu mit Rabatten oder anderen Vergünstigungen animieren (z.B. beim Influencer-Marketing)? Ein Händler, der sich positive Bewertungen „erkauft“, kann dies aber in den rechtlichen Grenzen grundsätzlich tun. Voraussetzungen gibt es jedoch auch hierfür.
Das Verknüpfen von Vergünstigungen mit der Abgabe von Kundenbewertungen ist nur dann umsetzbar, wenn in Zusammenhang mit den Bewertungen ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass die Kunden für die abgegebenen Bewertungen eine Vergünstigung erhalten haben.
10. Kein Abhaken der AGB/Widerrufsbelehrung im Checkout
In vielen Online-Shops befinden sich auf der letzten Seite vor Abschluss der Bestellung Hinweise wie „Ich habe die AGB zur Kenntnis genommen und stimme diesen zu“ sowie Abhakfenster, in der der Kunde dies aktiv bestätigen kann oder muss. Dies ist aber aus rechtlicher Sicht nicht zwingend.
Ein Satz „Ich habe die AGB und Kundeninformationen des Anbieters gelesen und erkläre mit dem Absenden der Bestellung mein Einverständnis“ ist daher völlig ausreichend, soweit die Wörter „AGB und Kundeninformationen“ mit einem Link zu diesen Texten ausgestattet sind. Ein deutlicher und verlinkter Hinweis wie „Die Widerrufsbelehrung inklusive Muster-Widerrufsformular habe ich zur Kenntnis genommen.“ ist natürlich aus Transparenzgründen möglich, aber nicht zwingend notwendig.